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Published on May 19, 2016
Kommen Sie herein. Ich warte schon seit einiger Zeit, wissen Sie? Jetzt ist der Kaffee kalt geworden. Herzlich willkommen. Ich dachte schon, Sie kommen gar nicht mehr. Wie so viele. Kommen Sie herein, ja natürlich, stellen Sie ihren Schirm hier ab, warten Sie, ich nehme Ihnen Ihren Mantel ab, ein schöner Mantel. Folgen Sie mir, hier lang. Ja, genau, was wollen Sie trinken? Selbstverständlich, setzen Sie sich, ich werde Ihnen ein Glas holen. Sie riechen ja nach Walnuss. Wunderbar, es freut mich sehr, dass Sie es schlussendlich hierher geschafft haben. Wissen Sie, viele haben sich angekündigt, nur einmal kam tatsächlich einer, den habe ich aber wieder weggeschickt, das hat nicht gepasst. Aber ich glaube, mit uns, das wird wunderbar. Ich war mir dessen sicher, deswegen hoffte ich so sehr, dass Sie tatsächlich kommen. Und jetzt sind Sie hier. Was halten Sie von etwas Musik? Haben Sie irgendwelche Vorlieben? Für Kaffee scheint es mir jetzt zu spät, finden Sie nicht? Ich dachte an Milhaud? Den kennen Sie nicht? Ein äußerst produktiver Komponist. Ich werde die Création du monde, ein Ballett, anmachen, Sie können sich, falls Sie möchten, ein wenig umschauen, ich hole Ihnen ein Glas.
Wussten Sie, dass Charles II., von dem seine Mutter sagte, er sei so hässlich, dass sie sich schäme, jeden Tag ein Destillat menschlicher Hirne trank, the King's Drops, er zahlte sechstausend Pfund für das Rezept, wir trinken einen Mouton Rothschild '88. Das muss erst mal für uns reichen. Zum Wohl, mein lieber Freund.
Wissen Sie, ich bewohne dieses Haus seit dem Tod meiner Mutter vor sechzehn Jahren allein. Mein Urgroßvater hat es in den bürokratischen Wirren des Dreikaiserjahrs gekauft, inzwischen liebe ich dieses Gut. Dieser souveräne Umgang mit gotischen Schmuckelementen in der Romantik, und das im ländlichen Raum, ist meines Wissens einzigartig, ich habe es allerdings vor ein paar Jahren modernisiert, grüner Teppich und braune Fliesen, wissen Sie, Kachelöfen, goldene Handläufe, das ist alles nicht meins, verstehen Sie? Das ist mir zu sakral. Auch, wenn ich die moderne Architektur zutiefst ablehne, hielt ich es für notwendig, das Innere ein wenig dem einundzwanzigsten Jahrhundert anzunähern. Ihnen gefällt der Boden? Ja, das seidengraue Parkett habe ich verlegen und die Räume neu beleuchten, die Tapete entfernen und die Wände weiß streichen lassen. Ja ja, einige sind Erbstücke, insbesondere diese große Biedermeierkommode, die Jugendstilmöbel habe ich gekauft. Es gefällt Ihnen, wunderbar, ja die Bücher habe alle ich erworben, ich habe sie nach Farbe und Alter geordnet. Warum ich die moderne Architektur ablehne? Ach, wissen Sie, es ist mir zu mühsam, darüber zu sprechen, so oft habe ich schon darüber nachgedacht, es ist nur so, das Bauhaus macht das Haus funktionalistisch, wissen Sie? Es wird zu einer Art Fetisch, alles, aber ausnahmslos alles funktional zu gestalten. Zweifelsohne eine Tendenz der Klassischen Moderne, aber das Bauhaus nimmt zumindest in der Architektur eine Pionierrolle ein. Dieser Funktionalismus hat viel Unheil über die Welt gebracht. Von Dessau ist es nicht weit bis nach Auschwitz, verstehen Sie? Fritz Ertl, der Architekt, war Bauhausschüler, müssen Sie wissen. Jede Jack-Wolfskin-Jacke lässt mich an Auschwitz denken, verstehen Sie, es ist grausam, aber genug davon. Ich denke, wir reagieren besonnen mit, vielleicht, Sie bevorzugen Brahms? Nein, nein, ich dachte an die Symphonie fantastique von Berlioz. Ich habe da eine wunderbare Aufnahme vom Gewandhausorchester.
Selbstverständlich dürfen Sie rauchen, ich bringe Ihnen einen Aschenbecher. Oh, hallo, das hier ist Karolina, sie führt den Haushalt, Lina, begrüßen Sie unseren Gast, bringen Sie ihm und mir einen Aschenbecher und dann gehen Sie, nehmen Sie sich einen Tag frei und fahren in die Stadt. Sie müssen erst übermorgen wiederkommen und bringen Sie mir Gefrierbeutel mit. Danke Lina.
Sie müssen wissen, Karolina ist eine exzellente Schachspielerin. Ich gewinne nur selten, sehr selten. Sie kümmert sich um einiges hier im Haus, Dinge, mit denen ich mich nicht beschäftigen kann, wissen Sie? Ich werde bei derlei Arbeit schnell unruhig. Danke Lina.
Können Sie mir auch Feuer reichen, danke sehr.
Als ich vor einigen Jahren von der kleinen, beschaulichen Stadt Masindi im Nordwesten Ugandas, die umgeben und zersetzt ist vom sattesten Grün, dort gibt es übrigens einen wunderbaren Markt, auf dem die hervorragenden Süßkartoffeln zu kleinen Pyramiden getürmt werden, sie werden mit Erdnuss zubereitet, sehr köstlich, na ja, als ich aus Masindi in den nahegelegenen Budongo-Wald fuhr, beobachtete ich mit zwei Primatenforschern und einer Evolutionsbiologin etwas, das mich lange beschäftigte: Wir sind im dichten Busch zwischen großen, von Kletterpflanzen überwucherten Bäumen. Gerade hatte es geregnet, die nassen Arme großer Farne streichen mein Gesicht, durch Ranken beobachten wir eine Gruppe aufgebrachter, starker, männlicher Schimpansen, sie schreien grell, reißen Moos und Farne aus und jagen ein Weibchen. Es kann entkommen, doch die zwei Jungtiere nicht, sie töten und verspeisen sie. Grausam? Wieso grausam? Mein Freund, ich bitte Sie, gleiten Sie doch nicht in die Niederungen solch banaler Regungen hinab. Ich war selbstverständlich fasziniert. Ich ließ mir von der Forschergruppe erklären, dass dies kein krankhaftes Verhalten sei, sondern dass der Infantizid bei vielen Tieren gang und gäbe ist. Aber widerspricht dies nicht der Arterhaltung? Scheinbar ist die Weitergabe der eigenen Erbanlage von höherem Interesse. Wissen Sie, dass man das Töten und Einverleiben der eigenen Kinder als Kronismus bezeichnet? Von Kronos, dem Vater der Olympier. Kommen Sie, ich will Ihnen ein wenig das Haus zeigen. Außerdem können wir zusammen eine weitere Flasche aussuchen, Sie sind doch kundig? Nicht sonderlich? Das ist schade. Wirklich schade. Sie möchten den Garten sehen? Meinetwegen. Ich könnte bei diesem Wetter ja ununterbrochen im Haus bleiben, aber ein kurzer Spaziergang durch den Garten schadet nicht. Wir gehen hinaus. Ich bin ganz Ihrer Meinung, wir sollten uns besser kennenlernen. Wir nehmen diese Tür, folgen Sie mir, hier entlang.
Oh, ich spüre die Kälte als erstes immer im Auge, es wird feucht, als sei es kaltes Wasser, wissen Sie, ich lese meinen Körper inzwischen sehr gut, ich weiß, was er braucht, weiß, was ich brauche, wissen Sie? Spüren Sie die Kälte in der Kehle, Sie haben einen spitzen Kehlkopf, es ist angenehm, wird erst unangenehm, wenn sich die Kälte ins Fleisch kämpft, wissen Sie, was ich meine, wenn es sich anfühlt, als würde die Kälte in die Knochen beißen, ich nehme nach winterlichen Spaziergängen ein Bad und spiele dort mit Karolina Schach. Meist verliere ich, wissen Sie, dann ist mir wieder warm und dann speise ich.
Ich erinnere mich genau, wie ich als Kind einen nahegelegenen Hügel mit dem Holzschlitten meines Großvaters hinabfuhr. Und das erste Mal wachste ich die Kufen, weil es mir irgendjemand gesagt hatte. Ich wachste also mit einer aus dem Haus gestohlenen Kerze die Kufen des alten Holzschlittens, der damals schon alt war, und, da ich die Lenkrichtung des Schlittens nicht verstand und in sehr hoher Geschwindigkeit fuhr, weil ja die Kufen gewachst waren, verstehen Sie, jedenfalls fuhr ich gegen einen Zaunpfahl eines Wildzauns, der das anliegende Jagdgebiet einfriedete, und schlug mir beide Schneidezähne aus. Ich hatte feuchte Augen und mir lief das warme Blut in den Mund, ich schluckte und es tropfte in den Schnee, mein frisches Blut tropfte in den Schnee und sah aus wie ein Sorbet einer roten Frucht und ich aß den roten Schnee, es hat stark geblutet und die Kälte stoppte die Blutung rasch. Viel später, natürlich, lernte ich den Ouroboros kennen, ein vollkommenes Wesen, dessen Ikone schon im Alten Ägypten belegt ist. Kennen Sie diese Schlange? Nein, es ist die, die sich selbst in den Schwanz beißt und somit einen Kreis bildet. Der Ouroboros ist ein Archetypus, es gibt ähnliche Vorstellungen in der Edda und in den Upanischaden, wissen Sie. Ein wahrlich autarkes Wesen, es verspeist sich, nährt sich von sich selbst, ohne Bezug zum anderen, ohne ein Gegenüber, ohne Wahrnehmung, ohne Fortbewegung, ohne ein Außen, nur ein Innen, es kreist nur um sich und wird somit zur perfekten Daseinsform, einem Kreis. Ich habe einen sehr schönen Linolschnitt aus dem siebzehnten Jahrhundert im Haus, ich werde ihn Ihnen gleich zeigen. Nun ja, Gott sei Dank waren es die Milchzähne, die ich verlor und im Schnee nicht wiederfand. Ich litt sehr darunter, dass ich keinen Bruder hatte, wissen Sie? Haben Sie Geschwister? Langweile ich Sie? Ach, bringen Sie mich nicht in Verlegenheit.
Irgendwann imaginierte ich ihn, so groß war die Sehnsucht, eine nach Nähe, nach jemandem aus meinem Fleisch und Blut, der mir gehört, so wie ich ihm, verstehen Sie, dem ich mich anvertrauen kann, der sich mir anvertraut, mit dem ich mich teilen kann und Anteil nehmen, verstehen Sie mich? Und viele lange Jahre war er bei mir, er hieß Gabriel, ich nannte ihn Gabo. Er war lange Zeit der einzige, mit dem ich sprach, Sie müssen wissen, ich sprach nicht, ich verbrachte meine frühen Jahre immer hier im Haus und im Garten. Ich wurde ja auch hier geboren, unvorstellbar, nicht? Aber ich habe mich mit diesem Ort versöhnt, auch das muss man können, finden Sie nicht?
Ich war lange Zeit auf Reisen, viele Jahre, wissen Sie, ich bin in die entlegensten Winkel unseres Planeten geflüchtet, an die Kapillare unserer Zivilisation, an die blinden Flecken und in die Weite des Raumes, auf der Suche nach Versatzstücken, ich weiß nicht, ob Sie verstehen, es waren keine einfachen Zeiten. Als dann meine Mutter starb, bin ich hierher zurückgekehrt und habe meinen Frieden mit ihr und dem Gut gemacht. Seitdem lebe ich wieder hier.
Wir gehen in den Keller, was denken Sie? Doch, doch, kommen Sie ruhig, kommen Sie! Dort unten herrscht eine wunderbare Atmosphäre, seien Sie nicht zaghaft, erstaunlich die Veränderung Ihres Lippenrots, kommen Sie, nach Ihnen.
Folgen Sie mir, nur hier lang, ja, kommen Sie, wir gehen hier herunter. Vorsicht, die letzte Stufe, ich schließe gerade die Tür, dann mache ich das Licht an, ja setzen Sie sich, hier unten ist es ein wenig nass und feucht, ich weiß, ah, riechen Sie die Etiketten, riechen Sie das? Die Feuchte lässt die Etiketten langsam abblättern, ich habe alles notiert, wissen Sie. Der Duft der Stille ist so alt. Ich brauche die Etiketten sozusagen gar nicht mehr, aber natürlich ist es schöner mit, keine Frage. Ich liebe diesen Kiesel hier unten, ich liebe diesen Geruch, warten Sie, brauchen Sie Feuer, ich rieche den Kork, es riecht so morbid, finden Sie nicht? Es ist wunderbar, ich bringe Gläser, Moment, wunderbar. Riechen Sie das? Erdig, hoffentlich ist der nicht schon müde, wir müssen ihm ein wenig Luft geben, Léoville-las-Cases '81.
Ab und an begegnet mir der alte Gabo in meinen Träumen. Aus der Wachwelt habe ich ihn eigentlich verbannt, ich wurde dissoziativ, wenn Sie verstehen, was ich meine, ich musste ihn loswerden, das habe ich getan. Er ist mir seitdem nicht mehr sonderlich wohlgesonnen. Ich träume, ich bin ein Kind. Ich trage eine Latzhose, in mir das Gefühl der letzten und vollkommenen Einsamkeit. Ich bin in einer Salzwüste, kennen Sie diese, in der sich das Salz unregelmäßig in Waben mustert, es gibt keinen Himmel. Keinen Himmel, verstehen Sie, was das bedeutet? Kein Weiß, kein Blau, nichts. Ich gehe und gehe, und zu meinen Füßen zerbrechen die Waben, ich schaue nur zu Boden. Irgendwann taucht da eine sargplattengroße Sandsteinplatte auf, über ihr, in einigen Metern Höhe, schwebt Gabo parallel zum Boden, zur Platte, und rotiert um seine Achse. Können Sie das nachvollziehen? Er schwebt, ich sehe zu ihm hinauf, muss zu ihm hinaufblicken, er schwebt und dreht sich um seine Achse und spricht mit mir, in so hoher Geschwindigkeit rotiert er, dass ich seine Worte nicht verstehe, können Sie sich das vorstellen? Er schwebt, spricht mit mir, dreht sich so schnell, dass ich ihn nicht verstehen kann, seine Worte werden durch die Rotation zu einem unerträglichen Gesäusel, ich kann es nicht anders beschreiben, es ist, als würde man sich einem Ton, in Impulsen, in blitzartiger Geschwindigkeit nähern und sich wieder entfernen. Ich muss ihm zuhören, obwohl ich nichts verstehe, und es gibt keinen Himmel. Manchmal, vor allem in Momenten größter Konzentration, wird meine Gedankenstimme, meine Stimme im Kopf, wie sie ein jeder hat, Sie wissen, was ich meine, zu Gabos verzerrter Stimme, dann muss ich mich ablenken. Aber der Traum geht weiter. Irgendwann beginnt es zu regnen und es regnet mir ins Gesicht, so stark, dass ich die Augen schließen muss. Ich öffne die Augen wieder und befinde mich auf einem riesigen Spiegel, ein opalblauer Himmel trägt dichte, schwere, weiße Wolken, und ich bemerke, dass ich nur die Spiegelung bin, verstehen Sie, es überkommt mich, dieses Wissen, und es ist ein unerträgliches Gefühl, ich bin nur das Spiegelbild, nicht das reflektierende Objekt und dann bemerke ich, das reflektierende Objekt ist Gabo. Ich bin Gabos Spiegelbild. Dann wache ich auf. Es ist äußerst verwunderlich, wissen Sie. Ich bin des luziden Träumens mächtig, doch nie habe ich es in diesen Traum geschafft, ich habe das Bedürfnis, dort einiges zu ergründen.
Suchen Sie eine Flasche aus, der Gast wählt, sollte er auch ein Unwissender sein. Es tut gut zu wissen, dass ich mich Ihnen anvertrauen kann. Diese also, hervorragend. Na, der Wein scheint mir schwierig, etwas enttäuschend, ich habe noch sechs Flaschen im Keller, das Bouquet ist gut, sehr voll, mir gefällt diese mürbe Note, fast morsch, finden Sie nicht, der Abgang, aber der Abgang ist zu kurz, merken Sie das, trinken Sie einen mittleren Schluck und lassen ihn kurz im Mund spielen, das ist toll, aber der Abgang, zu kurz, zu abrupt.
Eine meiner ersten Erfahrungen, die da in mir etwas gestillt haben, war die Lektüre von Crusoe. Robinson Crusoe, kennen Sie, selbstverständlich, ich zünde die Kerzen an, warten Sie, jedenfalls Crusoe, Defoe, da wird es ganz detailliert beschrieben, auch, wie es schmeckt, wie körperlich ich reagierte. Auf die Buchstaben, diese Anordnung von Druckerschwärze, wissen Sie, das hat mich beeindruckt.
Mich begeistert das ja immer wieder, diese scheinbare Willkür, in der die kulturellen Konventionen verfasst sind, wenn man das so sagen darf. Wir haben uns hier auf ein bestimmtes System geeinigt und uns erscheint es selbstverständlich, dass und wie wir es verwenden. Und wir lesen etwas, in diesem einen System unter tausenden und tausenden, und unser Körper reagiert. Wir empfinden etwas, Empfindung. Ist das nicht erstaunlich? Genauso bei der Musik, wie unzugänglich vielen der Gamelan erscheint, ein Balinese ist davon zu Tränen gerührt, er erträgt keinen Vivaldi, den ich, nur um das klarzustellen, selbstverständlich auch nicht ertrage. Ich glaube, die große Aufgabe des menschlichen Individuums in seiner existenziellen Sinnlosigkeit kann nur sein, sich den kulturfremden Systemen zu öffnen und möglichst viele von ihnen zuzulassen, verstehen Sie, was ich meine? Oder man wählt, selbstverständlich, Ihren Weg. Doch nicht jeder ist zu so einer edlen Totalität bereit.
Sie wollen gehen? Warum wollen Sie mich verlassen? Nein, ich denke, das ist jetzt nicht mehr möglich. Ich warte schon seit zwei Jahren auf diesen Tag. Bleiben Sie sitzen, genießen Sie den Wein, es wird alles wunderbar, es wird eine großartige Sache, mal sehen, Ligeti? Boulez? Feldman? Morton Feldman. Piano, Violin, Viola, Cello. Das wird Ihnen gefallen, das ist Feldmans letzte Komposition, ein äußerst erstaunliches Werk, wie ich finde, Musik für und über die Unendlichkeit. Nach dem Hören glaube ich stets, dass diese Akkorde schon immer klingen und klingen werden.
Ich finde, Sie auf diesem Stuhl, in Bast sitzt es sich gut, finden Sie nicht, in diesem Gewölbe, in seinem Schatten, in diesem Geruch, im Geräusch dieser Kiesel im dumpfen Hall, in diesen Akkorden sind Sie eine herrliche Erscheinung, Sie haben sich etwas Jugendliches erhalten, finden Sie nicht, ich sehe Sie strahlend, schwitzen Sie? Ich meine, ich könnte Ihren Puls an den Schläfen sich erhöhen sehen, wallend, mein lieber Freund.
Einst, ich war ein Kind, hatten wir Ratten hier unten, wussten Sie, dass Ratten eigentlich in den Wäldern Ostasiens beheimatet waren und dem Menschen auf Handelsrouten gefolgt sind, mit ihnen die Pest, die Justinianische Pest kostete hundert Millionen Menschen das Leben, erstaunlich, sehr intelligente Tiere sind Ratten, das wissen Sie, also, ich hatte gelesen, dass, wenn Ratten unter größten Qualen schreien, sie ihre Sippe vertreiben, also habe ich eine gequält, ihr Schreien war so schrill und laut, dass ich ein klägliches Pfeifen auf den Ohren noch mit ins Bett nahm. Die Sippe hat es vertrieben.
Wo wollen Sie denn hin? Ist Ihnen schwindelig? Ihre Knie zittern. Kommen Sie, ich denke, Sie sollten sich wieder hinsetzen. Ich sehe doch Ihre Beine schwach, finden Sie es ungemütlich? Haben Sie Orientierungsschwierigkeiten? Vorsicht, nicht, dass Flaschen zu Bruch gehen, sehen Sie nicht, sehen Sie noch scharf, Sie kommen doch gar nicht die Stufen hinauf. Setzen Sie sich doch, ich bitte Sie. Warten Sie, ich helfe Ihnen, kommen Sie, sitzt es sich nicht gut?
Ich habe ein Foto von meiner Mutter, wie sie hinter diesem Stuhl steht, er ist alt, aus Frankreich, es war der Lieblingsstuhl meiner Mutter, er stand früher auf der Terrasse, meine Mutter ist auf ihm gestorben, glauben Sie mir, sie war eine Frau, die nur in bequemster Position hätte sterben können, setzen Sie sich, ich glaube nicht, dass man diesen Stuhl als unbequem empfinden kann. Noch etwas Wein?
Nun, jetzt sollten wir beginnen, ich werde behutsam mit Ihnen umgehen, haben Sie keine Befürchtungen. Wundervoll, wissen Sie, mir erscheint dieser Akt, ein Akt der Verschmelzung, mir bedeutet dies unheimlich viel. Sie sehen ja schon ganz schläfrig aus, bleiben Sie wach, wollen Sie ein Glas Wasser? Ich dachte nicht, dass Sie so empfindlich sind. Sie wollen doch nichts verpassen, wir gehen ins Nebenzimmer, ich habe dort alles vorbereitet, ein Bett und einen Tisch, Ihr Schweiß ist sonderbar unsalzig, essen Sie wenig? Welch ein großer Moment für uns. Sie werden nun immer bei mir sein. Sie sollten sich hinlegen. Wir werden gleich beginnen. Sie erinnern sich nicht, wo Sie sind? Mein Bruder, Sie wollten hierher, Sie sind hier bei mir.